Rundgang DenK - GeSchichTe
Der Künstler und Philosoph Carlfriedrich Claus war ein hochsensibler Mensch. Er interessierte sich für Literatur, Wissenschaft, Politik, Geschichte, Sprachen und Sprache. Sein ganzes Leben ist ein experimentelles Kunstwerk und findet Ausdruck in Sprachblättern, Grafiken und Lautkompositionen.
Lassen Sie sich zu wichtigen Orten seines Lebensalltags führen und begeben sich auf einen Weg des poetischen Hörens, Sehens und Fühlens.
Jede herbeigeführte Begegnung in Wort und Schrift setzt Impulse und kann grafisch erfasst werden.
Ein Sprachblatt entsteht und findet sich vielleicht in der neuen Jahresausstellung „Grenzen - Wem gehört der Himmel?“ ab Sommer 2022 wieder.
Sind Sie neugierig? Wir auch!
1 Im Studienraum
Der heutige Studienraum ist der ehemalige Wohn- und Arbeitsbereich des Künstlers Carlfriedrich Claus.
1933 zieht die Familie aus wirtschaftlichen Gründen in die bescheidenen Wohnräume im Souterrain des Gloria Filmpalastes mit Eingang Johannisgasse.
Diese boten der Familie und nach dem Tod der Eltern dem Philosophen Claus ein zu Hause und Arbeitsraum zum gleich:
Eine Heizstelle in der Küche, Toilette über den Außenflur, kleine Zimmer, beengt Tageslicht dringt nur über die kleinen Fenster von der Johannisgasse ein und die stetigen Geräusche der Film- und Kinowelt bis in die Nachtstunden…
Welche Geräusche umgeben den Studienraum heute noch?
2 Altes Stadtbad, Benediktplatz
Das 1906 erbaute Stadtbad bot neben einem Schwimmbereich auch Brause-, Wannen-, Luft- und Sonnenbäder an.
Aufgrund der fehlenden sanitären Anlagen in der Wohnung war Carlfriedrich Claus ein regelmäßiger Gast dieser Einrichtung. Wöchentlich durchschritt er den Haupteingang des Jugendstilbades.
Bis kurz vor die Jahrtausendwende wurde der Badebetrieb aufrecht erhalten, Generationen von Annaberg-Buchholzer erhielten hier den ersten Schwimmunterricht. In den letzten Jahren wurden die einzigartigen Räumlichkeiten für einzelne Veranstaltungen genutzt.
Besonders sehenswert ist die sehr gut erhaltene Innenarchitektur im Jugendstil, die man bereits im Eingangsbereich mit Blick durch die Fenster der Eingangstür erahnen kann.
3 Ehemaliges Postamt, Klosterstraße
Der Gang zur Post war für Carlfriedrich Claus ein tägliches Ritual »um frische Luft zu schnappen«. Er hatte ein Postfach angemietet und nutzte dies für seine weltweite Korrespondenz mit seinen Freunden, Künstlern und Philosophen.
Über 25.000 Briefe befinden sich im Carlfriedrich Claus Archiv der Kunstsammlungen Chemnitz.
4 Marktplatz
Der Marktplatz von Annaberg ist das markante Zentrum der historischen Altstadt. Claus hat ihn als Handels- und Versammlungsplatz, aber auch Busbahnhof, Treffpunkt aller Generation und Glückstempel (Standort der Aufbautombola) erlebt.
Als Kind beobachtete er die Demontage des ersten Uthmann-Brunnens, die Bronzefigur der Barbara Uthmann wurde zu Kriegszwecken 1942 eingeschmolzen. Der Brunnen bereits in der zweiten Hälfte der 30iger Jahre zu einem Blumenbeet umgestaltet.
Claus hat die Neuerrichtung der Brunnenanlage im Jahr 2002 nicht erlebt, jedoch sicherlich begrüßt. Generell hat sich der Künstler für die Klangharmonie von Wasser interessiert.
5 St. Annenkirche
Die St. Annenkirche beeindruckte den Ehrenbürger der Stadt in Architektur und Präsentation. Mit vielen seiner Besucher und Gäste besichtigte er das außergewöhnliche Monument der Bergstadt.
Bis vor wenigen Jahren wurde der Turm der Kirche von Turmdohlen bevölkert. Die Turmdohle ist das kleinste Mitglied der Familie der Rabenvögel. Die Turmdohle hat eine markante Kopffärbung: Hinterkopf und Nacken sind grau, die Augen leuchtend hellblau. Wie andere Rabenvögel ist sie sehr intelligent und hat ein ausgeprägtes Sozialleben. Noch bevor man sie sieht, hört man oft ihren typischen «Kjack, kjack»-Ruf und weist ein sehr breites Repertoire an Lauten auf. Claus beschäftigt sich ausgiebig mit den Turmdohlen von St. Annen und ihrer Lautsprache – er widmet Ihnen die Lautpoesie „Turmdohlen“ 1955/56.
Bevölkern auch heute noch Dohlen oder Falken den Kirchturm. Kannst Du Sie hören?
Opional: Butterfässer am Pöhlberg
In zahlreichen Lautexperimenten versuchte Claus Stimme und Lautbildung beim Widerhall auf Basalt einzufangen und auf Tonband aufzunehmen. Die Basaltformation der Butterfässer am Pöhlberg wurden als Ort der Lautexperimente erwählt. Nur an dieser geologischen Stelle ist der wissenschaftliche Ansatz von Claus im Selbstexperiment erlebbar und das Ergebnis abrufbar.
6 Kupfergasse/Silberbergwerk »Im Gössner«
Carlfriedrich Claus war ein scharfsinniger Beobachter seiner Umwelt. Die montanhistorische, kilometerlange Anlage unter der Stadt blieb ihm nicht verborgen und fand seinen Ausdruck in der Radierung »Annaberg-Buchholz: Denkgänge unter Tage«.
Die Entdeckung eines sehr gut erhaltenen, unbekannten Stollensystem bei Bau des neuen Sparkassengebäudes verfolgte er bereits in Chemnitz wohnend. Die Eröffnung des Besucherbergwerks »Im Gössner« im Sommer 1998 konnte er nicht persönlich erleben, da er bereit im Mai des Jahres verstarb.
7 Café Zentral / heute Schokoguschl
Das Kaffeehaus in der Johannisgasse würde bereits 1832 eröffnet. Unternehmer, Künstler und Honoratioren zählen zum Kundenstamm des beliebten Kaffeehauses. Auch Carlfriedrich Claus war Gast. Kündigte sich bei ihm Besuch an, dann kaufte er die ausgezeichneten Konditoreiwaren und vor die exquisiten Backwaren seinen Gästen dar. Seit elf Jahren beherbergt die historischen gastronomischen Räume das Schokoguschl, eine Schokoladenmanufaktur. Noch immer ist der Duft von Kaffee, Schokolade und der Bekannten Carachastorte betörend ...
8 Carlfriedrich-Claus-Platz
Im nächsten Jahr wird die Ausstellung »Grenzen - Wem gehört der Himmel?« im Studienraum präsentiert. Dabei soll der Begriff »Grenze« aber auch der Begriff »Himmel« - philosophisch als auch künstlerisch in den Mittelpunkt gerückt werden. Der Künstler Claus wurde umgeben von politischen, ideologischen und intellektuellen Grenzen. Daher stellen wir an dieser Stelle, dem heutigen Carlfriedrich Claus Platz, im Jahr 2021 die Frage: Wem gehört der Himmel?